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Was? Weshalb? Zu Recht? Kurzarbeitsentschädigung – Wenn der Arbeitgebende im Ausland sitzt

Text von Prof. Dr. iur Marc Hürzeler GmbH

Aus der ersten Säule ist bekannt, dass Arbeitnehmende ohne einen beitragspflichtigen Arbeitgebenden (ANobAG) in der Schweiz dessen Beitragsanteile an die AHV, IV und EO bezahlen. (vgl. Art. 6 AHVG)

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Was? Weshalb? Zu Recht?

Was?

Aus der ersten Säule ist bekannt, dass Arbeitnehmende ohne einen beitragspflichtigen Arbeitgebenden (ANobAG) in der Schweiz dessen Beitragsanteile an die AHV, IV und EO bezahlen. (vgl. Art. 6 AHVG)

Wie verhält es sich, wenn der Arbeitgebende seinen Unternehmenssitz im EU-Ausland, sprich nicht ausserhalb der EU/EFTA, hat?

Wenn man an Art. 21 VO(EG) Nr. 987/2009 [1] denkt, wird sogleich klar, dass es sich hierbei nicht notwendigerweise um einen ANobAG handelt:

«(1) Hat ein Arbeitgeber seinen eingetragenen Sitz oder seine Niederlassung ausserhalb des zuständigen Mitgliedstaats, so hat er den Pflichten nachzukommen, die auf seine Arbeitnehmer anzuwendenden Rechtsvorschriften vorsehen, namentlich der Pflicht zur Zahlung der nach diesen Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Beiträge, als hätte der Arbeitgeber seinen eingetragenen Sitz oder seine Niederlassung in dem zuständigen Mitgliedstaat.»

«(2) Ein Arbeitgeber, der keine Niederlassung in dem Mitgliedstaat hat, dessen Rechtsvorschriften auf den Arbeitnehmer anzuwenden sind, kann mit dem Arbeitnehmer vereinbaren [vgl. Art. 16 VO (EG) Nr. 883/2004], dass dieser die Pflichten des Arbeitgebers zur Zahlung der Beiträge wahrnimmt, ohne dass die daneben fortbestehenden Pflichten des Arbeitgebers berührt würden. Der Arbeitgeber übermittelt eine solche Vereinbarung dem zuständigen Träger dieses Mitgliedstaats.»

[1] Durchführungsverordnung (DVO) von VO (EG) Nr. 883/2004 (SR 0.831.109.268.1), welche durch das Freizügigkeitsabkommen im Bereich der sozialen Sicherheit anwendbar geworden ist (SR 0.831.109.268.11).

 

 

Weshalb gibt es nun ein Problem?

Die VO (EG) Nr. 883/2004 kommt nur bei internationalen Sachverhalten zur Anwendung, hauptsächlich um Zuständigkeitsprobleme zu verhindern. Das heisst, wenn beispielsweise der Wohnsitz des Arbeitnehmenden in Deutschland und der Beschäftigungsstaat in der Schweiz ist [2] – und dies unabhängig vom Sitz des Arbeitgebenden.

Im Fall von Kurzarbeit sieht Art. 65 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 folgendes vor:

«(1) Eine Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat, muss sich bei Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehendem Arbeitsausfall ihrem Arbeitgeber oder der Arbeitsverwaltung des zuständigen Mitgliedstaats zur Verfügung stellen. Sie erhält Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob sie in diesem Mitgliedstaat wohnen würde. Diese Leistungen werden von dem Träger des zuständigen Mitgliedstaats gewährt.»

Das bedeutet grundsätzlich, dass die Schweiz als zuständiger Beschäftigungsstaat Leistungen bei Kurzarbeit selbst dann zu entrichten hat, wenn der Unternehmenssitz des Arbeitgebenden in einem EU-Staat liegt.

Anders als beispielsweise die Zuständigkeit für die soziale Sicherheit des Kabinenpersonals eines Luftfahrtunternehmens: Wenn dessen Heimatbasis sich im EU-Ausland befindet, wird das dortige nationale Sozialrecht anwendbar. [3]

Was gilt nun aber, wenn kein internationaler Sachverhalt vorliegt, obwohl es vielleicht danach scheint? Dies sei am nachfolgenden Beispiel erläutert.

 

[2] Art. 11 Abs. 3 lit. a VO (EG) Nr. 883/2004
[3] Art. 11 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004.

 

Zu Recht?

Die in der Schweiz wohnhafte Frau Meier arbeitet in der Schweiz für die Max AG in Deutschland.

 

 

Die deutsche Bundesagentur wird Leistungen bei Kurzarbeit der Max AG an Frau Meier ablehnen, denn sie ist in Deutschland weder versichert, noch beitragspflichtig.

Da Frau Meier in der Schweiz wohnt und arbeitet, ist sie somit hier versichert und beitragspflichtig. Die Schweiz leistet grundsätzlich bei Arbeitslosigkeit, nämlich wenn Frau Meier ihre Arbeit ganz oder teilweise verliert. Sie erhält aber keine Kurzarbeitsentschädigung, weil sich der Unternehmenssitz der Max AG in Deutschland und nicht in der Schweiz befindet (vgl. hierzu Art. 36 AVIG, Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung):

Art. 36 Voranmeldung von Kurzarbeit und Überprüfung der Voraussetzungen

«1 Beabsichtigt ein Arbeitgeber, für seine Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen, so muss er dies der kantonalen Amtsstelle mindestens zehn Tage vor Beginn der Kurzarbeit schriftlich voranmelden. Der Bundesrat kann für Ausnahmefälle kürzere Voranmeldefristen vorsehen. Die Voranmeldung ist zu erneuern, wenn die Kurzarbeit länger als drei Monate dauert.
2 Der Arbeitgeber muss in der Voranmeldung angeben:
a) die Zahl der im Betrieb beschäftigten und die Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer;
b) Ausmass und voraussichtliche Dauer der Kurzarbeit;
c) die Kasse, bei der er den Anspruch geltend machen will.
3 Der Arbeitgeber muss in der Voranmeldung die Notwendigkeit der Kurzarbeit begründen und anhand der durch den Bundesrat bestimmten Unterlagen glaubhaft machen, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach (…) erfüllt sind. Die kantonale Amtsstelle kann weitere zur Prüfung nötige Unterlagen einverlangen.»

 

Damit steht der Arbeitnehmende buchstäblich im Regen.

 

Picture: Courtesy by Pixabay

 

6 comments

  1. U. Castelberg says:

    Ich bin genau ein solcher ANOBAG, Arbeitgeber in Deutschland, arbeite meist von zu Hause aus (Schweiz), aber auch in der EU wie D, A und CZ. Wegen Covid-19 nun auf Kurzarbeit, welches die Arbeitslosenkasse im April 2020 zuerst auch zusprach. Vorgestern dann der Entscheid, dass die Verfügung vom April wiedererwägungsweise aufgehoben wird, mit Verweis auf VO (EG) Nr. 883/2004.
    Versucht man diese Verordnung als nicht Jurist zu studieren, scheint der Fall nicht ganz klar zu sein. Hier sind Abweichungen möglich. Interessant sind folgende Abschnitte: (16), Art. 7 Aufhebung der Wohnortklauseln, Art. 11 (3) a), (3) c) und (3) e), Art. 13 Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten, Art. 63 Besondere Bestimmungen für die Aufhebung der Wohnortklauseln und natürlich Art. 65 Arbeitslose, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt haben.
    Ich würde es beschämend für die Schweiz finden, wenn unsere Institute nicht zahlen würden. Steuern und Sozialabgaben (inkl. Arbeitslosengelder) bezahle ich brav in der Schweiz. Wer hat ähnliche Erfahrungen gemacht?

    • expatee says:

      Vielen Dank für diesen Erfahrungsbericht. Die Situation ist ärgerlich. Es wäre schon interessant zu erfahren, wie es anderen in der gleichen Situation ergeht. Meldet euch!
      Mirta Del Frari

  2. Eli says:

    Hallo, danke für den Beitrag, sehr interessant. Ich bin demnächst Anobag und wollte fragen, ob ihr eine gute Webseite oder Buch oder Ratgeber kennt der alle solchen Nachteile erklärt und einen Überblick verschafft.
    Danke
    Eli

    • expatee says:

      Hallo Eli
      Ich glaube nicht, dass es einen Ratgeber oder dergleichen gibt. Für die Normalfälle wissen die Ausgleichskassen in der Regel gut Bescheid. Für die Kurzarbeitsentschädigungsfälle wäre notwendig, dass man das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) anfragt, ob eine Vereinbarung zwischen den Ländern in Bearbeitung ist, die dieses Problem löst. Es ist etwas, womit man nicht gerechnet hat, denn sonst bei Arbeitslosigkeit haben die versicherten Personen aufgrund ihrer Beiträge und ihrem Wohnsitz in der Schweiz bei vorhandener Vermittlungsfähigkeit i.d.R. Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung in der Schweiz.
      Lieber Gruss aus Luzern
      Mirta

  3. Ariane Egli says:

    Hallo an das Expateer Team

    ich arbeite seit fast 20 Jahren als ANobAG, da mein Arbeitgeber eine deutsche Firma ist. Wir sitzen anscheinend zwischen den Stühlen, was das Recht auf Kurzarbeitergeld betrifft. das Amt für Arbeit verweist uns auf die SVA und umgekehrt. Wer hatte schon Erfolg in der Durchsetzung seiner Ansprüche? Bin dankbar für jede Hilfe.
    Lieben Gruss aus Wetzikon

    • expatee says:

      Hallo Ariane,
      wir haben das intern besprochen und wenn das so ist wie du schreibst, würden wir dir empfehlen beim ausländischen Arbeitgeber vorstellig zu werden, damit sie dieses Problem über die jeweilige ausländischen Bundesbehörden zu lösen versuchen. Diese können entsprechend in der Schweiz vorstellig werden.
      Wer hat hier bereits Erfahrungen gesammelt? Meldet euch!

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