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Was beim Auslandeinsatz zu beachten ist

Text von Mirta Del Frari, Expateer GmbH

HR Going Global… „Alles Roger?“

Werden KMU international tätig, werden bald einmal die ersten Mitarbeitenden für einen begrenzten Zeitraum ins Ausland entsandt. Entsendungen sind für Personalverantwortliche oft auch Neuland. Mit ein paar Tipps behält man die Übersicht im unbekannten Territorium.

Wenn ein KMU international tätig wird, setzt es gerne auf qualifizierte Mitarbeitende, die für eine zeitlich limitierte Dauer ins Ausland gehen. Sie packen beim Aufbau des ersten Brückenkopfs im Ausland mit an, stellen vor Ort Personal ein, sorgen für einen reibungslosen Know-how-Transfer und verankern die Kernwerte der Firmenkultur im Ausland.

Vielleicht finden sich aber auch im Ausland geeignete Mitarbeitende, die in einer Einarbeitungsphase für eine gewisse Zeit in die Schweiz geholt werden. In der Führungslinie findet man für  solche Situationen pragmatische, unkomplizierte Lösungen. Oft hört man von Managern dann aber, dass alles ins Stocken gerät, sobald die Personalabteilung Wind von dem bevorstehenden Transfer bekommt: HR als «Spassbremse»? Keineswegs. Sie weisen berechtigterweise auf Fragen hin, die vorab zu klären sind: Was schreiben lokale Gesetze vor? Wie sieht es mit Versicherungen aus? Wer organisiert die allenfalls notwendige Arbeitserlaubnis? Wie sieht es mit der Familie und dem Umzug aus? Gerade KMU sind gut beraten, mit Bedacht vorzugehen, sonst bricht der Draht ins Ausland noch vor dem Verbindungsaufbau ab und alles endet mit einem frustrierenden sowie teuren «Over- and-Out».

Vor allem vier Aspekte prüfen

Damit auch die Leitung der Abteilungen zueinander nicht verloren geht und ein KMU im unbekannten Gelände nicht stolpert, sollten unternehmens- und kandidatenspezifische Aspekte, steuerliche sowie versicherungstechnische Fragen und die grundsätzlichsten arbeitsvertraglichen und finanziellen Fragen einer Entsendepolitik geklärt werden.

 

KMU Magazin 2016_HR Going Global

 

Unternehmen und Kandidaten

Wie ist das Unternehmen aufgestellt?
Mit welcher administrativen Unterstützung kann das Unternehmen im Gastland rechnen? Wenn vor Ort bereits eine Tochtergesellschaft besteht, wird einiges einfacher. Gleichzeitig sind in der Organisation aber auch mehr Stellen involviert, was den Koordinations- und Kommunikationsbedarf erhöht. Hier ist die Definition von klaren Zuständigkeiten wichtig; das Personalwesen wird eine wichtige Rolle einnehmen.

Es ist nachvollziehbar, wenn bei einer ersten Entsendung noch gebastelt und improvisiert wird. Spätestens bei dem zweiten oder dritten Mitarbeitertransfer sollten die Beteiligten systematisch vorgehen, um den Zeitaufwand zu optimieren. Zu den einfacheren ressourcenschonenden Vorbereitungsarbeiten gehört etwa die Ausarbeitung einer Entsenderichtlinie.

Wie sieht das Kandidatenprofil aus?
Welche Fähigkeiten und Kompetenzen muss jemand haben, damit er oder sie überhaupt für einen Auslandeinsatz infrage kommt? Die naheliegende Wahl fällt zunächst auf die fachlich bestqualifizierte Fachkraft. Fachliche Qualitäten sind notwendig, aber nicht hinreichend: Kann die Person im Gastland bestehen? Wie sieht das private Umfeld aus? Wie steht es um die sprachlichen, interkulturellen sowie persönlichen Kompetenzen? KMU haben oft nur einen einzigen valablen Kandidaten aus den eigenen Reihen; eine Option B gibt es nicht. Umso eingehender müssen diese Kollegin oder dieser Kollege und eine allenfalls mitreisende Familie auf das Leben, ja das Abenteuer im Gastland vorbereitet werden.

Steuern und Versicherungen

Die Einhaltung von Gesetzen und Regeln – neudeutsch: Compliance – ist in heiklen Bereichen wie Immigration, Steuern und Sozialversicherungen nicht verhandelbar. Heute wachen Staaten pingelig über alle Einnahmequellen ihrer Steuer- oder Sozialversicherungskassen.

Die Zeiten sind vorbei, als nur ein Teil des Expat-Vergütungspakets im Gastland deklariert wurde. Je nach Gastland gibt es weitere Gesetze, die zwingend einzuhalten sind. Geradezu fahrlässig ist es, Mitarbeitende mit Touristenvisa im Ausland arbeiten zu lassen. Je nach Gastland kann aber allein die Erlangung einer Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zwei bis fünf Monate dauern.

Steuerfragen
Saläre von entsandten Mitarbeitenden werden oft mit sogenannten Expat-Zulagen wie zum Beispiel einer Wohnzulage oder zusätzlichem Schulgeld aufgebessert. Solche Zulagen sind je nach Gastland und Leistungsart (Geld- oder Naturalleistung) sozialversicherungs- und/oder steuerpflichtig.

Wo aber ist der Mitarbeitende während seines Auslandeinsatzes nun genau steuerpflichtig? Noch im Heimatland oder im Gastland? Wer kommt für allfällig höhere Steuern während der Entsendung auf? Die Mitarbeitenden oder das Unternehmen? Gerade in der Schweiz, wo die Einkommenssteuer jedermanns Privatsache ist, haben Personalverantwortliche oft Skrupel, bei den betroffenen Mitarbeitenden Informationen zur Steuersituation einzuholen. Das ist aber unerlässlich, denn bei internationalen Mitarbeitertransfers wird die Steuerthematik zur Angelegenheit des Arbeitgebers und sollte vor der Entsendung schriftlich geregelt sein.

Um unangenehme steuerliche Überraschungen zu vermeiden, muss neben der Einkommenssteuer des Entsandten auch das sogenannte Betriebsstättenrisiko für das Unternehmen abgeklärt werden (Permanent Establishment Risk): Denn je nach Gastland entsteht allein durch die Tätigkeit eines Mitarbeitenden vor Ort für die entsendende Unternehmung eine neue Steuerpflicht.

Sozial- und Krankenversicherungen
Generell ist für die Mitarbeitenden während eines Auslandeinsatzes der Verbleib im heimischen Sozialversicherungssystem und die Befreiung von der Beitragspflicht im Gastland am einfachsten und sinnvollsten. Bilaterale Sozialversicherungsabkommen sehen genau diese Möglichkeit vor. Doch dies ist noch nicht hinreichend. Der einzelne Mitarbeitende muss gewisse Kriterien erfüllen wie beispielsweise eine bestimmte Mindest-Beitragsdauer vorweisen.

Grundsätzlich werden entsandte Mitarbeitende in Gastländern, die kein entsprechendes Abkommen mit der Schweiz abgeschlossen haben, sozialversicherungspflichtig. Trotz der Sozialversicherungspflicht im Gastland bleiben entsandte Mitarbeitende weiterhin in der Schweiz sozialversicherungspflichtig. Sie sind somit in der Schweiz wie auch im betreffenden Gastland versichert und beitragspflichtig. In diesem Fall sollte eine Übernahme der Arbeitnehmer- sowie Arbeitgeberbeiträge vorgängig geklärt, kommuniziert und schriftlich festgehalten werden.

Wie sieht es mit der Krankenversicherung aus? In der Schweiz ist dies eine private Angelegenheit. Mit einer Auslandentsendung steht hier aber nun auch der Arbeitgeber in der Pflicht. Wichtig ist insbesondere der Hinweis, dass Mitarbeitende während ihrer Auslandentsendung die Grundversicherung nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) in der Schweiz beibehalten dürfen, ja gar müssen.

Wenn es international wird, muss sich also der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für die Arbeitnehmer dieser Privatsache annehmen und sicherstellen, dass die KVG-Pflicht als Teil der Kriterien einer Entsendung erfüllt ist und erfüllt bleibt. Weiter kommt hinzu, dass die KVG-Deckung für Auslandeinsätze nicht ausreicht. Entsprechend muss eine Zusatzversicherung abgeschlossen werden (Einzelversicherung oder Gruppenversicherung), welche die Bedürfnisse im Gastland und im Ursprungsland abdeckt.

Im Kontext der Salär-, Steuer- und Versicherungsregelung stellt sich auch die Frage, wie versiert die Lohnbuchhaltung ist. Denn die Payroll-Spezialisten sind bei der Umsetzung und Kontrolle dieser heiklen Compliance-Themen «am Drücker» – und zwar monatlich. Die Führung einer sogenannten Shadow-Payroll, also einer statistischen Gehaltsabrechnung, welche sämtliche Lohnbestandteile in beiden Ländern ausweist, ist oftmals angezeigt.

Kosten und Arbeitsverträge

Die Gesamthöhe von Entsendekosten hängt grundsätzlich von zwei Faktoren ab: Zum einen bestimmt die Entsende- oder Transferpolitik eines Unternehmens das Vergütungspaket. Zum anderen prägt die Konstellation von Ursprungs- und Gastland die Gesamtkosten einer Auslandentsendung.

Der Grundsatzentscheid, ob Mitarbeitende ins Ausland «entsandt» oder im Gastland «lokal angestellt» werden, spurt etliche arbeitsvertragliche und finanzielle Aspekte vor. Typischerweise sind Entsendungen aus der Schweiz ins Ausland («Home-Country-Ansatz») für die Arbeitnehmer attraktiver als eine Lokalanstellung etwa in Bulgarien («Host-Country-Ansatz»). Bulgarische Mitarbeitende dürften demgegenüber eine Lokalanstellung in der Schweiz begrüssen.

In der Praxis kommen oft auch hybride Lösungen zur Anwendung – etwa ein «Local-Plus-Ansatz». Aus Unternehmenssicht entscheidet der mit dem Transfer verfolgte Geschäftsnutzen die Wahl des Transfer-Typs: Je erfolgskritischer der Auslandeinsatz einer Person ist, desto eher schwenkt das Unternehmen auf eine für die Mitarbeitenden vorteilhaftere Lösung ein. Je nach Gastland fallen die Kosten im Vergleich zum Ursprungsland zwischen anderthalb und drei Mal höher aus.

Suche nach dem fairen Interessensausgleich
Bei geschäftskritischen Einsätzen möchten Unternehmen verhindern, dass Mitarbeitende während ihres Auslandeinsatzes finanzielle Nachteile erleiden. Das spricht für den «Home-Country-Ansatz», auch «Balance-Sheet-Ansatz» oder «Netto-Garantie-Ansatz» genannt. Dieser Ansatz erlaubt nicht nur den Erhalt der Kaufkraft im Gastland, sondern auch ein gleichwertiges Sparpotenzial; und zwar für sämtliche Home/Host-Kombinationen. Zur Kalkulierung des Vergütungspakets bietet sich eine sogenannte «Balance-Sheet-Kalkulation» an.

Basis für diese Berechnungen ist ein auf die Firma zugeschnittenes Entsendungsreglement. Dieses verschafft sowohl Personalverantwortlichen als auch Mitarbeitenden, die international eingesetzt werden, Transparenz und Sicherheit. Je attraktiver die Regeln ausgestaltet werden, desto teurer werden Entsendungen fürs Unternehmen. Gleichzeitig können Unternehmen mit attraktiven «Packages» Mitarbeitende aber auch enger und länger an sich binden.

Ein Reglement sollte die vor, während und nach der Entsendung relevantesten Themen behandeln. Dazu zählen etwa die Beschaffung von Arbeits- sowie Aufenthaltsbewilligung, Umzug, Familie, Handhabung der veränderten Lebenshaltungs- sowie Wohnkosten, Steuern, Sozial- und auch sonstige Versicherungen, Repatriierung etc.

Zu jeder Kalkulation gehört eine Nachkalkulation. Die Messung des «Return on Investment» (ROI) bei Mitarbeiterentsendungen ist aber ein schwieriges Unterfangen. Nur vereinzelte Unternehmen haben eine für sie passende Formel zur Kosten/Nutzen-Messung gefunden. Die meisten Firmen geben sich zufrieden, wenn die ehemals entsandten Mitarbeitenden zwei Jahre nach der Repatriierung noch immer bei ihnen arbeiten. Das Worst-Case-Szenario für das Kosten/Nutzen-Verhältnis ist ein vorzeitiger Abbruch der Entsendung.

Herausforderung: Nationalität

Zu den Aspekten einer jeweiligen Home/Host-Kombination kommen nationalitätsspezifische Fragen hinzu: Zuweilen gehen ja Mitarbeitende mit einer anderen Nationalität als jener des Ursprungslandes für ein Unternehmen ins Ausland. Betreffend solcher «Third Country Nationals» (TCNs) besagt etwa das Schweizer Ausländergesetz, dass die schweizerische Niederlassungsbewilligung (C-Bewilligung) erlischt, wenn sich der Ausländer während mehr als sechs Monaten ausserhalb der Schweiz aufhält. Stellt er jedoch vor Ablauf dieser Frist ein entsprechendes Begehren, kann die Niederlassungsbewilligung für längstens vier Jahre aufrechterhalten werden.

Viele Gastländer verfügen über eigentliche Entsendegesetze, welche die Situation der sogenannten «Inpats» regeln. Das Schweizer Entsendegesetz spricht in Artikel 1 von Entsendung, «wenn ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland seine Arbeitnehmer in die Schweiz entsendet, damit diese in der Schweiz für einen bestimmten Zeitraum auf Rechnung des ausländischen Arbeitgebers und unter dessen Leitung eine Arbeitsleistung erbringen oder in einer Niederlassung oder einem Betrieb arbeiten, der zur Unternehmensgruppe des ausländischen Arbeitgebers gehört». Das Entsendegesetz spezifiziert auch Auflagen bezüglich Salär, der Lebenshaltungs- sowie der Wohnzulagen, was hierzulande vermehrt zu Lokalanstellungen und entsprechend weniger Entsendungen vom Ausland in die Schweiz führt.

Die Volksinitiative gegen die Masseneinwanderung hat die Erlangung von Arbeitsbewilligungen erschwert. Wie die Schweiz schützen auch viele andere Länder ihre lokalen Arbeitskräfte und verschärfen Gesetze: Vergabekriterien für Arbeitsbewilligungen werden auch im Ausland härter. Dies konnte unlängst etwa in Taiwan, Indonesien oder auch in den USA festgestellt werden.

Nicht in jedem Gastland dürfen entsandte Mitarbeitende ihre bisherigen Schweizer Bankkonten auch während der Entsendung behalten. Gerade bei Entsendungen in die USA ist dies immer mal wieder eine Knacknuss.

 

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