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Work from Anywhere (WFA) – Heute unter der Lupe: Arbeitsrecht & Datenschutz

Text von Dr. iur. Balz Stückelberger, Arbeitgeber Banken

Rechtsfragen zum Homeoffice von Mitarbeitenden mit Wohnsitz im ausländischen Grenzgebiet (Grenzgänger).

Heute zu den Themen: Gerichtsstand, anwendbares Recht und Datenschutz.

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1. Gerichtsstand

Die gerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis im internationalen Kontext von Grenzgängern in die Schweiz wird durch das «Lugano-Übereinkommen» (LugÜ) geregelt. Das Abkommen unterscheidet zwischen Klagen des Arbeitnehmers und Klagen der Arbeitgeberin.

Nota Bene: Die Schweiz und ihre Nachbarstaaten (exkl. Liechtenstein) sind Vertragsstaaten des LugÜ.

 

1.1. Klagen des Arbeitnehmers

Der Grenzgänger muss seine Arbeitgeberin grundsätzlich an deren Sitz in der Schweiz einklagen, ausser wenn er mehrheitlich in einem anderen Staat (z.B. im Homeoffice) arbeitet.

 

Der Arbeitnehmer kann die Klage in demjenigen Staat einreichen, in dem die Arbeitgeberin ihren Sitz hat oder in demjenigen Staat, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Was genau unter «gewöhnlich» zu verstehen ist, wurde in der Lehre und Rechtsprechung präzisiert. Der Europäische Gerichtshof sieht die Arbeitsverrichtung «gewöhnlich» in demjenigen Staat, in dem sie «im Wesentlichen» ausgeübt wird.

Es ist davon auszugehen, dass mehr als 50% der Arbeit im Homeoffice gearbeitet werden muss, damit von «wesentlich» gesprochen werden kann und ein Gerichtsstand am ausländischen Wohnort begründet wird. In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass dafür mehr als 60% Homeoffice notwendig sind.

 

Empfehlung:

    • Homeoffice von Grenzgängern bis max. 50% zulassen, um einen Gerichtsstand für Klagen des Arbeitnehmers im Ausland zu vermeiden
      (vgl. aber die Empfehlung von max. 20% Homeoffice in Bezug auf die Sozialversicherungen)

 

1.2. Klagen der Arbeitgeberin

Die Arbeitgeberin muss den Grenzgänger grundsätzlich an seinem ausländischen Wohnsitz einklagen, was zu aufwändigen Verfahren führen kann.

 

Die Arbeitgeberin kann den Arbeitnehmer nur in seinem Wohnsitzstaat einklagen. Eine Ausnahme bildet der Fall der Widerklage: Wenn also der Arbeitnehmer die Arbeitgeberin an ihrem Sitz in der Schweiz beklagt, kann die Widerklage ebenfalls in der Schweiz (im gleichen Verfahren) erhoben werden. Zudem ist die Vereinbarung
des (ausschliesslichen) Gerichtsstands am Sitz der Arbeitgeberin in der Schweiz zulässig, wenn die Streitigkeit bereits entstanden ist3. Dies dürfte häufig im Interesse von beiden Parteien liegen, weil Prozesse im Ausland für alle Beteiligten sehr aufwändig sind.

Die Arbeitgeberin kann den Arbeitnehmer auch in der Schweiz einklagen und hoffen, dass dieser sich darauf einlässt. Diese Einlassung ist zulässig.

 

Empfehlung:

    • Bei Entstehen einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit den Gerichtsstand am Sitz der Arbeitgeberin in der Schweiz vereinbaren und/oder die Klage an diesem Gericht einreichen.

 


 

2. Anwendbares Recht

2.1. Privates Arbeitsrecht

Ein hoher Anteil im ausländischen Homeoffice kann dazu führen, dass ausländisches Arbeitsrecht zur Anwendung gelangt – deshalb unbedingt immer Schweizer Recht vereinbaren.

 

Im Falle eines Verfahrens vor einem Schweizer Gericht bestimmt sich das bei Arbeitsverträgen mit internationalem Bezug anwendbare Recht nach Art. 121 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG). Demnach untersteht ein Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.

Eine genaue Definition des Begriffs «gewöhnlich» wurde bisher nicht entwickelt. Klar ist, dass der Vertrag ausländischem Recht untersteht, wenn der Arbeitnehmer ausschliesslich im Homeoffice arbeitet und keine Rechtswahl getroffen wurde. Wenn – wie allenfalls bei alternierendem Homeoffice – kein gewöhnlicher Arbeitsort ermittelt werden kann, so gelangt das Recht am Ort der Niederlassung, subsidiär am Sitz der Arbeitgeberin zur Anwendung.

Die Vertragsparteien können durch Vereinbarung das anwendbare Recht wählen (entweder Wohnsitz des Arbeitnehmers oder Sitz der Arbeitgeberin).

Stellt sich im Falle eines ausländischen Gerichtsstands die Frage nach dem anwendbaren Recht, so wird sie in den Grenzländern zur Schweiz nach EU-Recht beurteilt (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I)). Dieses stellt in erster Linie auf das im Vertrag gewählte Recht ab. Falls keine Rechtswahl vorgenommen wurde, gelangt das Recht am Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung zur Anwendung. Ist dieser nicht bestimmbar, gilt das Recht am Ort der Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.

Sofern die Arbeitgeberin der Vereinbarung über die Anstellungsbedingungen der Bankangestellten (VAB) untersteht, ist diese als Bestandteil des Arbeitsvertrages auch im Falle eines ausländischen Gerichtsstands beachtlich.

 

Empfehlung:

    • Ausschliessliche Anwendbarkeit von schweizerischem Recht in den Arbeitsverträgen vereinbaren.

 

2.2. Öffentliches Arbeitsrecht

Das Schweizer Arbeitsgesetz gilt im ausländischen Homeoffice nicht, dafür aber unter Umständen das im Wohnsitzstaat geltende öffentliche Arbeitsschutzrecht.

 

Die obigen Ausführungen zum anwendbaren Recht beziehen sich auf das private Arbeitsvertragsrecht. Das öffentliche Arbeitsschutzgesetz unterliegt hingegen dem Territorialitätsprinzip. Deshalb gilt das schweizerische Arbeitsgesetz (ArG) grundsätzlich nicht während der Arbeit im Homeoffice ausserhalb der Schweiz. Damit finden z.B. Bestimmungen über die Sonntagsarbeit, Nachtarbeit, Höchstarbeit, Zeiterfassung etc. keine Anwendung.

Mitarbeitende im Homeoffice in einem ausländischen Staat unterstehen allerdings dem öffentlichen Arbeitsrecht des Wohnsitzstaats, sofern dieses ebenfalls auf dem Territorialitätsprinzip beruht, was in der Regel der Fall ist. Zu beachten ist, dass ausländisches Arbeitsschutzrecht tw. zwingende Normen enthält, die über das
Schutzniveau des Schweizer Arbeitsgesetzes hinausreichen.

 

Empfehlung:

    • Auch wenn das Schweizer Arbeitsgesetz nicht anwendbar ist, sind die Arbeitnehmer im ausländischen Homeoffice anzuhalten, die in der Schweiz geltenden Vorschriften einzuhalten und darauf aufmerksam zu machen, dass in ihrem Land ggf. strengere Bestimmungen gelten.

 


 

3. Datenschutz

Die Bearbeitung von Personendaten im ausländischen Homeoffice kann als Datenübermittlung ins Ausland gelten und zudem in den Geltungsbereich der EU-Datenschutz-Grundverordnung führen. Der Einhaltung der auch für Homeoffice in der Schweiz geltenden Sicherheitsmassnahmen kommt deshalb bei Homeoffice im Ausland eine besondere Bedeutung zu.

 

Falls ein Mitarbeiter im ausländischen Homeoffice Zugang zu in der Schweiz gespeicherten Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes (DSG) erhält, kann dies als Datenübermittlung ins Ausland gelten (Nota Bene: In Bezug auf den Einsatz von VPN (Virtual Private Network) werden unterschiedliche Meinungen zur Frage vertreten, ob es sich dabei um eine Datenübermittlung ins Ausland oder eine Datenbearbeitung in der Schweiz handelt. Die Frage ist bei Homeoffice in umliegenden Ländern der Schweiz unerheblich, da diese Länder gemäss EDÖB ein angemessenes Datenschutz-Niveau gewährleisten.).

Es spielt dann keine Rolle, ob die Daten tatsächlich bearbeitet werden.

In diesem Fall gelten die besonderen Bestimmungen und Anforderungen von Art. 6 DSG. Insbesondere muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass die Gesetzgebung im Zielland ein angemessenes Datenschutz-Niveau gewährleistet. Alle umliegenden Länder der Schweiz erfüllen diese Anforderung und stehen auf der Liste zum «Stand des Datenschutzes weltweit» des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB).

Zudem kann Homeoffice von Grenzgängern auch zur Anwendbarkeit der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) führen, falls der Arbeitgeber die Nutzung der IT-Systeme überwacht und protokolliert. Eine solche «Verhaltensbeobachtung» gilt als Anknüpfungspunkt für die Anwendung der DSGVO. Die Rechtssituation ist allerdings nicht abschliessend geklärt.

Die aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen empfohlene Begrenzung von Homeoffice für Grenzgänger auf einen Tag pro Woche dürfte aber das Risiko minimieren, über eine Verhaltensbeobachtung ungewollt in den Anwendungsbereich der DSGVO zu gelangen.

Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den durch Bankmitarbeitende bearbeiteten Personendaten regelmässig um Daten im Schutzbereich des Bankkundengeheimnisses handelt. Auch wenn das Bankkundengeheimnis im Ausland aufgrund des Territorialitätsprinzips grundsätzlich nicht gilt, muss der Arbeitgeber in der Schweiz sicherstellen, dass es nicht zur Verletzung von geheimnisrelevanten Daten durch Mitarbeitende im ausländischen Homeoffice kommt.

 

Empfehlung:

    • Besonderer Hinweis und Sensibilisierung der Grenzgänger im Homeoffice auf die (auch bei Homeoffice in der Schweiz) geltenden Schutz- und Sicherheitsmassnahmen wie:
            • Schutz vor unbefugtem Zugriff (abschliessbarer Raum, Clear-Desk-Policy, Passwortschutz für Hardware und Zugang zu Servern etc.)
            • Schutz vor unbefugtem Mithören oder Einsicht (keine Telefon- oder Videokonferenzen bei offenen Türen oder Fenstern)
            • Verwendung geschützter Kommunikationskanäle, z.B. durch den Einsatz von «Tunnels» wie VPN (Virtual Private Network)
            • Keine Vermischung von privater und geschäftlicher Infrastruktur
            • Keine Datenspeicherung auf lokaler/privater Infrastruktur
            • Keine Verwendung von externen Datenträgern wie USB-Sticks
            • Verschlüsselter Zugang zum Heim-WLAN

 

 

 

 

Picture: Courtesy of Pixabay/AmarilyMoreno

 

 

 


 

The Collection… Hier alle bis anhin erstellte Beiträge zu WFA:

 

Sozialversicherungen: Ausnahmevereinbarung für Grenzgänger (Fristen wurden kontinuierlich verlängert)