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Work from Anywhere (WFA) – Heute unter der Lupe: Führen aus Distanz

Text by Trudi Mathis, TEAMINTERIMPLUS AG

Immer mehr Menschen träumen davon – oder haben es bereits realisiert – ortsunabhängig zu arbeiten und haben diesen Lebensstil für sich entdeckt. Sie entfliehen dem kalten Winter, suchen neue Eindrücke, den Austausch mit Menschen aus verschiedenen Kulturen oder erstreben damit eine bessere Work-Life-Balance. Und für manche ist es auch einfach ein Weg, ein Auslandabenteuer zu finanzieren und ihre Unabhängigkeit zu leben.

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Führen auf Distanz braucht Nähe! Und braucht vor allem auch ein Führungs-Bewusstsein.

Ortsunabhängig zu arbeiten (Work from anywhere), war vor der Corona-Krise ein sich beginnender Trend und jetzt mit der anbahnenden «Normalisierung» wird dieser wieder neu entfacht. Mit Corona haben wir Erfahrungen sammeln können, was «remote» Arbeiten bedeutet und was «Führen auf Distanz» für Tücken und Chancen beinhalten kann. Vor Corona war es vor allem im internationalen Kontext, d.h. für internationale Teams normal, sich remote als Team zusammen zu finden. Mit Corona wurde es für uns alle zur Realität und zur Herausforderung und somit auch zur Bewährungsprobe. Führung muss remote sehr bewusst und aktiv gestaltet werden. Eine «open door Politik», ein «walk the floor» oder auch ein «zufällig mal sehen» um den Puls zu fühlen ist schlicht unmöglich. Den Puls fühlen, die Nähe zu den Mitarbeitenden suchen, das muss «organisiert» werden. Als ich selbst in einer Führungsposition mit 12 Mitarbeitenden war, sagte mein damaliger Vorgesetzter, «Trudi das kannst du gut neben einem eigenen Arbeitsportfolio stemmen. Du hast sehr erfahrene Mitarbeitende im Team». «Ah, dachte ich mir, dann brauchen nur weniger erfahrene Mitarbeitende Führung?» Ein Gedanke, den ich überhaupt nicht teile. Und was hat das mit «Führen auf Distanz» zu tun? Ganz viel, denn Führung braucht Bewusstsein und ein Gespür, was wer gerade braucht, unabhängig davon, wie erfahren, wie Senior ein Teammitglied ist. Aber wie gelingt das, wenn die Mitarbeitenden physisch an einem ganz anderen Ort sind und der Kontakt nur online/virtuell stattfindet?

Es braucht den informellen Austausch, der für den Zusammenhalt im Team und die Identifikation mit dem Unternehmen eine bedeutende Rolle spielt. Digitale Kaffeepausen haben sich bewährt, die per Zufallsmodus zugeteilt werden können, ganz unabhängig von Rolle und Funktion. Oder fixe virtuelle Kaffeepausen-Zeiten, an denen sich die Mitarbeitenden freiwillig einloggen können. Auch kann virtuelles Co-Working praktiziert werden, das heisst, die Mitarbeitenden treffen sich in einem Zoom-Meeting, unterhalten sich gelegentlich und arbeiten wie in einem Grossraumbüro an ihren Aufgaben weiter. Viele Mitarbeitende haben während Corona beklagt, dass sie die spontanen Treffen, den spontanen Austausch vermissten. Denn da bekommt man die neuesten Informationen mit oder hört mal informell einem Gespräch zu, welches einem dann für die Erfüllung des Jobs wichtig sein könnten. Um etwas mehr Spontanität zu fördern hat sich «Wonderme» bewährt. Da können Räume aufgesetzt werden, die jede/r Teilnehmende selbst gesteuert besuchen und wieder verlassen können. Auch ein Townhall, ein grösseres Meeting oder ein grösserer Apéro kann mit dieser App super umgesetzt werden.

Damit das vollständig mobile/remote Arbeiten funktioniert, braucht es neben effizienten Prozessen sowie verschiedenen Massnahmen zur Stärkung der Loyalität und des Zusammenhalts im Team vor allem auch Vertrauen und Transparenz (Thema «great resignation»). Die Mitarbeitenden müssen gut und regelmässig darüber informiert sein, was im Unternehmen gerade läuft, um ihre Arbeit eigenverantwortlich erledigen zu können und ein Bewusstsein erlagen, wie wichtig ihr Beitrag ist.

 

Nun, sind die Führungskräfte vorbereitet darauf?

 

Führung auf Distanz ist und wird vermehrt auch zur zukünftigen Herausforderung. Persönlich glaube ich, dass Führung auf Distanz mehrheitlich eine Frage der eigenen Haltung ist und zudem auch eine Frage «wie gerne jemand führt». Es braucht viel Toleranz, Offenheit für verschiedene Arbeitsformen und erfordert noch mehr Disziplin für sich selbst aber auch in Führungsfragen, um ein möglichst gutes Gelingen von Führung zu erreichen. Und wichtig dabei ist, eine Führungskraft ist auch immer ein Rollenmodell, und das auch virtuell. Die Mitarbeitenden kriegen mit, wie gut sich die Führungskraft ihre Arbeiten einteilt, mit Flexibilität umgeht etc.

 

Die folgende Checkliste könnte helfen die wichtigsten Punkte im Blick zu haben:

 

Erfülle ich als Führungskraft die Voraussetzungen für die Führung auf Distanz?

Erfolgreiche Führung auf Distanz beginnt bei der Führungskraft selbst. Eine Führungskraft sollte für sich folgende Fragen beantworten können:

Wie stelle ich den Austausch mit den Mitarbeitenden (beruflich und privat) sicher?

  Schaffe ich genügend Möglichkeiten, damit sich das Team austauschen kann, beispielsweise durch kulinarische, digitale Teamevents oder digitale „Mystery Coffees“? Gibt es genügend Möglichkeiten für informellen Austausch via soziale Medien? Dieser Austausch ist wichtig für die Unternehmens-/Teamkultur und die Innovationsfähigkeit.

 

Wie kontrolliere ich ggf. die Arbeitsergebnisse und das Verhalten meiner Mitarbeitenden bzw. wie kompensiere ich die fehlende (vor Ort) Kontrolle?

  Hier gilt vor allem eine Vertrauenskultur zu schaffen durch persönliche Gespräche und regel­mässige (Team-)Meetings. Vertrauen ist die Grundvoraussetzung für eine gute Zusammen­arbeit. Falls eine gewisse Kontrolle notwendig ist, sollte die Führungskraft darauf achten, dass die Erwar­tungen geklärt sind und die zu erreichenden Arbeits- und Verhaltensziele möglichst klar formu­liert sind.

 

Wie gehe ich mit Unsicherheiten der Mitarbeitenden bzgl. Aufgaben, Kompetenzen und Verant­wortlichkeiten um?

  Es ist wichtig für alle Teammitglieder Klarheit zu schaffen in Bezug auf Aufgaben, Kompeten­zen und Verantwortlichkeiten. Auch müssen die Rahmenbedingungen definiert werden, zum Beispiel wann, wie und wo gearbeitet wird und welche Erreichbarkeit zwingend notwendig ist. Diese Vereinbarungen bieten beiden Seiten Sicherheit, dennoch muss auch Flexibilität zugelassen werden. Bei der Festlegung der Aufgaben und Ziele muss klar bestimmt werden, wie die Zusammenarbeit erfolgt und woran Aufgaben, Fortschritte und Ergebnisse gemessen werden. Empfehlenswert ist die gemeinsame Definition der Aufgaben und Ziele, d.h. sowohl persönlich zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft als auch im Team.

 

Wie erhalte bzw. steigere ich die Motivation der Mitarbeitenden?

  Es ist für uns alle wichtig, den Sinn und Zweck der Aufgaben zu erkennen und dies auch im Bezug zum Unternehmenskontext. Vor allem bei digitalen Arbeitsbeziehungen ist das vielfach schwierig zu erkennen, denn der direkte Bezug zur Unternehmung fehlt. Deshalb gilt hier auch ein besonderer Fokus darauf zu setzen. Und die ständige Weiterentwicklung von Mitarbeitenden hört bei dem Thema «Homeoffice» oder «Workation» nicht auf.

 

Erkenne ich die Motivationstreiber meiner einzelnen MitarbeiterInnen?

  Wie viel Kontrolle, Austausch, Nähe, Distanz, Freiheit, etc. braucht ein einzelnes Teammit­glied? Es gibt kein «one size fits all».  Es gilt hier auch auf die individuellen Bedürfnisse einzu­gehen.

 

 

Welches sind die Rahmenbedingungen für eine Führung auf Distanz?

 

Sorge ich für ausreichend Ressourcen für mein Team?

  Sind den Mitarbeitenden ausreichend Ressourcen (Hard- und Software) zur Verfügung ge­stellt worden und haben die Mitarbeitenden alle erforderlichen Kompetenzen zur Bedienung und Nutzung der entsprechenden Tools erhalten?

 

Setze ich die richtigen digitalen Tools für mein Team ein?

  Welche Tools werden zur Kommunikation, Kollaboration und Koordination eingesetzt? Es soll­ten möglichst bekannte oder simple Tools eingesetzt werden. Es gilt auch hier die Faustregel: So viele Tools wie nötig, so wenige wie möglich und wenn möglich, sollten alle im Team dieselben Tools nutzen.

 

Verfüge ich mit meinem Team über eine ergebnisorientierte Feedback-/Feedforward-Kultur?

  Mitarbeitende, die ergebnisorientiert handeln, brauchen die nötigen Freiräume. In regel­mässigen Feedback/Feedforward-Runden kann die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiten­den ausgedrückt werden. Da gilt es dafür zu sorgen, dass dies nicht nur im 1:1 geschieht, sondern auch im Team. Aber Achtung bei Kritik: hier gilt es, je persönlicher diese ist, desto persönlicher sollte sie geäussert werden – also den «persönlichen» Raum respektieren. Eine offene Feedback­kultur im Team muss eingeübt werden, das geschieht nicht einfach so – es braucht dazu eben auch das Vertrauen. Darüber hinaus bedarf die Distanz einer besonders klaren, fortlaufenden Kommunikation. Dazu gehört auch zielführendes Coaching.

 

Kommuniziere ich ausreichend mit dem Team?

  Der stetige Austausch mit den Mitarbeitenden (auch in Einzelgesprächen) ist wichtig und auch die Verteilung von zeitnahen Informationen an das gesamte Team. Es empfiehlt sich, regel­mässige kurze Meetings (mit Agenda) durchzuführen, um den Austausch zu fördern. Raum und Zeit für Teamrituale, beispielsweise für ein gemeinsames virtuelles Mittagessen pro Woche, soll­ten auch eingeplant werden. Auch lohnt es sich von Zeit zu Zeit die Meetings, die festgelegt worden sind zu hinterfragen. Was würde passieren, was würden wir vermissen, wenn wir dieses Meeting nicht mehr haben?

 

Habe ich die Strukturen und die Spielregeln klar definiert?

  Klare Spielregeln und Rahmenbedingung, z. B. hinsichtlich der Erreichbarkeit müssen unbe­dingt festgelegt werden – das geht auch zusammen im Team. Dazu gehört auch, wie bereits er­wähnt, welche Tools wie genutzt werden. Die Frage, wie untereinander effektiv kommuniziert werden kann (z. B. Verfügbarkeitsstatus in Teamchannels jederzeit sichtbar) ist ebenfalls gut zu klären, Freiräume zu gewähren und gleichzeitig die Arbeitsfähigkeit untereinander zu gewähren.

 

 

Fazit

Führung auf Distanz erfordert klare Strukturen, Empathie und viel direkte Kommunikation. Die richtigen Rahmenbedingungen und digitalen Tools können Führungskräfte bei einigen ihrer komplexen Aufgaben und Herausforderungen unterstützen.

Es klingt kompliziert und aufwändig. Soll man Mitarbeitenden Arbeiten von einer anderen Destination/ aus dem Ausland erlauben? Ist das sinnvoll? Nun ja, grundsätzlich sollte es für das Unternehmen sinnvoll sein. Sei dies aus Gründen von «Talent-Retention» oder auch «Arbeitgeberattraktivität». Wichtig ist, dass solche Vereinbarungen für die Mehrheit der Mitarbeitenden möglich sind, respektive bei Ausnahmen klare Transparenz herrscht, weshalb es möglich ist und für andere nicht. Denn auch hier gilt, Ungleichheiten zu vermeiden oder zu begründen. Eine neue Umgebung kann beflügeln, Mitarbeitende fühlen sich ausgeglichener, sind zufriedener und deshalb auch konzentrierter bei der Arbeit. «Work from anywhere» kann neuen Schwung verleihen und Kreativität wecken. Wir haben es alle schon erlebt, bei einem Spaziergang am Strand oder auf einer Wanderung in den Bergen kommen einem meist die besten Ideen, wie sich ein festgefahrenes Problem lösen lässt.

 

 

 

 

Picture: Courtesy of Pixabay/AmarilyMoreno

 

 

 


 

The Collection… Hier alle bis anhin erstellte Beiträge zu WFA:

 

Sozialversicherungen: Ausnahmevereinbarung für Grenzgänger (Fristen wurden kontinuierlich verlängert)