Steuerliche Überlegungen bei «Work from Anywhere»
Per Ende März 2022 haben die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein die Verständigungsvereinbarung gekündigt, welche die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns sowie staatliche Unterstützungsleistungen an unselbständig Erwerbstätige während der Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie regelte.
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Dies ist ein weiteres Zeichen, dass sich Unternehmen und Mitarbeitende darauf einstellen müssen, dass in internationalen Konstellationen bald überall wieder die «normalen» Besteuerungsregeln gelten dürften. Dies kann unliebsame Auswirkungen auf Arbeitgebende und deren Mitarbeitende haben, wenn diese weiterhin im Ausland arbeiten.
Im Bereich Steuern sind es vor allem zwei Themen, welche die Unternehmen auf dem Radar haben müssen. Es sind dies das Betriebsstättenrisiko und allfällige Pflichten im Rahmen der Lohnabwicklung, wie z.B. eine Lohnsteuerpflicht im Ausland und eine kompliziertere Lohnabwicklung im Inland. Abgesehen davon kann es für Mitarbeitende unattraktiv sein, plötzlich höhere Steuern im Ausland zu zahlen, anstatt wie bisher schweizerische (Quellen-)Steuern. Gerade wenn das Homeoffice angeordnet wurde, kann die Arbeitgeberin auch diesen Aspekt nicht komplett ignorieren.
Betriebsstättenrisiko
Es ist vielen Verantwortlichen durchaus bekannt, dass Mitarbeitende im Ausland (auch im dortigen Homeoffice) ein Risiko für das Unternehmen darstellen, da diese Mitarbeitenden eine Betriebsstätte entstehen lassen können. Trotzdem wird das Thema manchmal wie bei den sprichwörtlichen drei Affen nach dem Motto «nichts sehen, nichts hören, nichts sagen» ausgeblendet. Das ist riskant, denn wussten Sie, dass eine Betriebstätte vielerorts auch schon ohne typische feste örtliche Einrichtung angenommen wird? Bemerkten Sie die immer strenger werdenden Kriterien der Staaten (und auch der OECD, z.B. BEPS Action Point 7, der die Definition von Betriebsstätten änderte)? Sind Sie sich sicher, dass Ihre Strategie zur Betriebsstättenvermeidung wasserdicht ist? Anhand der Umfrageergebnisse zu «WFA», welche Expateer GmbH durchgeführt hat ist davon auszugehen, dass viele Unternehmen diese Fragen – wenn überhaupt – nur zögerlich mit «Ja» beantworten können.
Die Risiken sind vielschichtig, die Haltung «dann zahlen wir im worst case halt ein bisschen Gewinnsteuern nach einen Cost Plus Ansatz» greift leider zu kurz. Zu denken ist etwa auch an eine weiterführende Besteuerung des Betriebsstättengewinns im Betriebsstättenstaat, das Risiko der Doppelbesteuerung durch zwei Staaten, die Pflicht Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge und Lohnnebenkosten abzuführen, abweichende mehrwertsteuerliche Verpflichtungen, Besteuerung der Mitarbeitenden im Betriebsstättenstaat (unabhängig von der 183-Tage-Grenze), Haftungsfolgen für vergangene Jahre, Melde- und allenfalls Prüfpflichten für die Betriebsstätte und im schlimmsten Fall (Finanz-)strafrechtliche Sanktionen. Diese Aufzählung ist noch nicht mal abschliessend.
Es wäre unseriös Ausführungen zu machen, wie man Mitarbeitenden ausländisches Homeoffice ermöglicht und trotzdem das Betriebsstättenrisiko vermeidet. Die Regeln sind von Land zu Land unterschiedlich und im Wechsel begriffen, so wird z.B. in Deutschland das Homeoffice viel später als Betriebsstätte qualifiziert, als dies in Österreich der Fall wäre.
Immerhin kann man (im Verhältnis zu den vielen Staaten, mit denen Doppelbesteuerungsabkommen bestehen) festhalten, dass Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten typischerweise keine Betriebsstätten begründen. Vorbereitende Tätigkeiten werden nur während einer relativ kurzen Dauer ausgeführt, bevor die eigentliche Geschäftstätigkeit (im anderen Staat) entfaltet wird. Hilfstätigkeiten dienen dazu, die Unternehmenstätigkeit zu unterstützen, ohne dass man diese dem Kerngeschäft zuordnet. Nicht darunter fallen absatzorientierte Tätigkeiten wie Verkaufsförderungs- oder Produktvermarktung, sondern eher Verwaltungstätigkeiten wie Buchhaltung, Personalwesen oder Controlling. Immer ein Risiko birgt zudem die Situation, wenn die Mitarbeitenden im ausländischen Homeoffice zeichnungsberechtigt sind und/oder allenfalls Verträge abschliessen, da diesfalls auch eine sogenannte Vertreterbetriebsstätte entstehen kann.
Da die Formulierung betreffend Betriebsstätte in den Doppelbesteuerungsabkommen auch eine gewisse Wesentlichkeit der Tätigkeit im Ausland impliziert, damit dort eine Betriebsstätte entsteht, sind KMU wohl etwas gefährdeter als ein Grossunternehmen. Ein Architekturbüro mit 4 Architektinnen erzielt 25% seines Umsatzes im Ausland, wenn eine Architektin ausschliesslich dort arbeitet, während eine Administrativstelle, welche im ausländischen Homeoffice arbeitet, in einem Grossunternehmen mit mehreren zehntausenden Mitarbeitenden, kaum ins Gewicht fällt.
Speziell zu beachten sind auch Situationen, in denen kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Hier entscheidet alleine nationales Recht ob eine Betriebsstätte entsteht, ohne die typische Bestimmung in den Doppelbesteuerungsabkommen, dass eben vorbereitende oder Hilfstätigkeiten ausgeschlossen sind. Zwar könnte man den Eindruck haben, dass die Schweiz nur mit ein paar «exotischen» Staaten keine Doppelbesteuerungsabkommen hat und das damit ein theoretisches Problem bleibt. Jedoch darf man nicht vergessen, dass diverse US-Bundesstaaten (z.B. Kalifornien) das Doppelbesteuerungsabkommen USA-Schweiz nicht anwenden für State Taxes und man so – mangels 183-Tage-Regel oder eben der Bestimmungen zur Betriebsstätte – schneller in eine Steuerpflicht für State Taxes rutschen könnte als erwartet. Eine Prüfung vor Ort ist bei fehlendem Doppelbesteuerungsabkommen unabdingbar.
Steuern für Mitarbeitende & allfällige Pflichten der Arbeitgeberin im Ausland
Entsteht eine Betriebsstätte im Ausland, hat diese praktisch überall auf der Welt sofort Pflichten, was die Deklaration und allenfalls auch eine Quellenbesteuerung der Löhne der betroffenen Mitarbeitenden angeht. Selbst wenn keine Betriebsstätte begründet wird, ist die Frage der ausländischen Steuerpflicht nicht zu unterschätzen.
Dies spielt auf drei Ebenen
(es wird immer vom Wohnsitz/Ansässigkeit im Ausland ausgegangen, für in der Schweiz wohnhafte Arbeitnehmende, die vorübergehend im ausländischen Feriendomizil arbeiten, sieht das anders aus, da hier z.B. oft die 183-Tage-Regel zur Anwendung gelangen kann) [1]
1. Quellenbesteuerung in der Schweiz
Die Arbeitgeberin sollte Homeoffice-Tage im Wohnsitzstaat und Tage an denen unter «WFA» sonst ausserhalb der Schweiz gearbeitet wird, von der Quellenbesteuerung freistellen. Für diese Tage hat der Wohnsitzstaat ein Besteuerungsrecht. Dies ist so auch im Kreisschreiben Nr. 45 [2] , Ziffer 6.7 geregelt. Auf Sonderfälle wie echte Grenzgänger:innen aus Deutschland (wo z.B. die Frage gestellt werden muss, ob Homeoffice-Tage als Nichtrückkehrtage zählen oder ab wie vielen Homeoffice-Tagen die Qualifikation als Grenzgänger:in per se entfällt) oder die Sonderregeln während COVID wird vorliegend nicht weiter eingegangen.
2. Steuerbelastung im Ausland
Wie erwähnt hat der ausländische Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für Homeoffice/WFA-Arbeitstage. Dies kann je nach Wohnsitzstaat zu einer markanten steuerlichen Mehrbelastung für die Arbeitnehmenden führen. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass Einkommenssteuern Privatsache sind (es interessiert Arbeitgeber normalerweise auch nicht ob man im Kanton Zug wohnt und weniger Steuern bezahlt oder im Kanton Luzern und höher besteuert wird), aber wenn dies Mitarbeitende überraschend trifft oder insbesondere wenn nachstehende Verpflichtungen bestehen, greift diese Ansicht zu kurz.
3. Pflichten für die schweizerische Arbeitgeberin im Ausland
Es gibt Staaten, die verpflichten auch ausländische Arbeitgeber Quellensteuern abzuführen, wenn Sie Mitarbeitende beschäftigen, welche Wohnsitz und Erwerbsort dort haben. Das Problem hat man teilweise schon bei den Sozialversicherungen, aber bei den Steuern kann es sich akzentuieren. Gerade Frankreich birgt Gefahren: Sitzt die Arbeitgeberin in einem Kanton ohne internationales Abkommen mit Frankreich (z. B. Zürich) so muss durch diesen nach dem oben Ausgeführten für den in Frankreich geleisteten Teil der Arbeitstätigkeit keine Schweizer Quellensteuer mehr einbehalten werden. Jedoch wäre die Schweizer Arbeitgeberin gemäss dem französischen Recht dazu verpflichtet einen Fiskalvertreter in Frankreich zu ernennen und dort Quellensteuern abzuführen. Das ist administrativ mühsam und – schlimmer – mit dem Schweizer Recht nicht vereinbar und strafbar. Während Corona besteht eine Verständigungsvereinbarung mit Frankreich, die das Thema entschärft, zudem laufen Verhandlungen zwischen der Schweiz und Frankreich um dies auch nach Corona bewerkstelligen zu können.
Dieser Stolperstein, notabene im Verhältnis zu einem EU/OECD/Nachbarstaat, sollte aber einen Eindruck über die Risiken vermitteln, wer weiss schon wie Griechenland oder Marokko eine solche Situation beurteilen?
[1] Eine umfassende Darstellung der Stolpersteine, wenn in der Schweiz wohnhafte Arbeitnehmende von schweizerischen Arbeitgebern vorübergehend im Ausland tätig sind, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Dort wäre zusätzlich sicher auch zu unterscheiden ob in einem Staat gearbeitet wird, wo die Unternehmung Geschäftsaktivitäten entfaltet, oder ob das effektiv in einem Drittstaat (reines «Ferienland») passiert.
[2] Kreisschreiben Nr. 45 «Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens von Arbeitnehmern» der ESTV vom 12. Juni 2019.
Fazit
Erlaubt man Homeoffice/WFA im Ausland, lädt man sich in steuerlicher Hinsicht Risiken auf. Je mehr Mitarbeitende im ausländischen Homeoffice arbeiten und je intensiver sie das tun, umso grösser werden die Risiken. Es ist gut zu überlegen und abzuwägen, was einem als Arbeitgeberin wichtiger ist.
Picture: Courtesy of Pixabay/AmarilyMoreno
The Collection… Hier alle bis anhin erstellte Beiträge zu WFA:
Sozialversicherungen: Ausnahmevereinbarung für Grenzgänger (Fristen wurden kontinuierlich verlängert)